Ein Grundstücksnachbar hat keinen Anspruch auf Rückschnitt eines Walnussbaums auf Basis einer früheren Vereinbarung zwischen den Nachbarn, wenn der vereinbarte Rückschnitt nunmehr mit ziemlicher Sicherheit zum Absterben des Baumes führen würde. Dies hat das Landgericht (LG) Koblenz entschieden. Der Rückschnitt sei vielmehr so vorzunehmen, dass der Baum erhalten werden kann (hier: über mehrere Jahre hinweg in kleineren Einheiten).
Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Auf dem Grundstück des Beklagten befindet sich in der Nähe der Grundstücksgrenze zum klägerischen Grundstück ein großer Walnussbaum, dessen Zweige über die Grundstücksgrenze hinauswachsen. Die Parteien vereinbarten im Jahr 2015, dass der Beklagte die auf das benachbarte Grundstück überhängenden Äste beseitigt und den Nussbaum kürzt. Da dies nicht geschah, erhob der Kläger im Dezember 2018 Klage, da er durch den erhöhten Laub- und Fruchteintrag beeinträchtigt sei und zudem sein Pool durch den Walnussbaum verschattet werde. Der Beklagte entfernte während des Rechtsstreits einen Teil des Überwuchses und schnitt den Baum zurück. Der Umfang des Rückschnitts reichte dem Kläger jedoch nicht, da er nicht der damaligen Vereinbarung entsprach. Der Beklagte berief sich wegen des Alters des Baums auf Bestandsschutz. Es handele sich bei Laubund Fruchteinfall zudem um naturgemäße und als ortsüblich hinzunehmende Beeinträchtigungen. Er behauptete zudem, dass die Vitalität des Baums durch den letzten Rückschnitt schon eingeschränkt sei und der Baum bei einem erneuten Rückschnitt absterben werde.
Das LG Koblenz hat den Beklagten zur uneingeschränkten Beseitigung des Überwuchses verurteilt und festgestellt, dass Überwuchs grundsätzlich eine Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks im Sinne der §§ 910, 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) darstellt. Ein Anspruch auf Beseitigung des Überwuchses sei allenfalls dann ausgeschlossen, wenn die Beeinträchtigung des Nachbarn gemäß § 910 Absatz 2 BGB nur ganz unerheblich ist. Die Verschmutzung des Pools des Klägers durch Laub und Früchte wie auch dessen Verschattung stelle jedoch eine Beeinträchtigung dar, die nicht nur unwesentlich ist. Daher sei der Beklagte zu einer Beseitigung des Überhangs verurteilt worden. Eine sofortige Kürzung des Walnussbaums ließ das LG dagegen nicht zu, obwohl dies grundsätzlich der Vereinbarung der Parteien aus dem Jahr 2015 entsprochen hätte. Der gerichtliche Sachverständige hatte jedoch zuvor festgestellt, dass der Baum bei dem vereinbarten Rückschnitt mit hoher Wahrscheinlichkeit absterben werde. Daher leitete das LG aus § 242 BGB in seiner Ausprägung als Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ab, dass der Anspruch aus der Vereinbarung so zu modifizieren sei, dass ein Erhalt des Baumes noch möglich sei. Ansonsten führe der Rückschnitt zu einem Absterben und damit zu einer faktischen Beseitigung des Baums, auf die der Kläger keinen rechtlichen Anspruch habe.
Maßgebend war hier laut LG ezudem, dass der Kläger nach den nachbarrechtlichen Regelungen keinen Anspruch auf Kappung in der Höhe gehabt hätte, da der Baum aufgrund seines Alters Bestandsschutz genießt. Wenn sich der Beklagte dann in einer Vereinbarung mit dem Nachbarn zu einem Rückschnitt über seine eigentliche rechtliche Verpflichtung hinaus bereit erklärt hat, gebiete es das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis, dem Beklagten nunmehr die Möglichkeit einzuräumen, diesen Rückschnitt nicht sofort und in vollem Umfang durchzuführen, sondern so wie der Sachverständige es vorgeschlagen hat, in kleineren Abschnitten über mehrere Jahre hinweg bis die vereinbarte Höhe erreicht ist, um den Baum zu erhalten.
Landgericht Koblenz, Urteil vom 12.07.2021, 13 S 8/21, rechtskräftig