Eine Klausel in einem Prämiensparvertrag ist unwirksam, wenn sich das Kreditinstitut darin ein Zinsänderungsrecht vorbehält, wonach es den Vertragszinssatz durch die Änderung eines Aushangs in seinem Kassenraum ändern kann. Denn dann seien mögliche Zinsänderungen nicht ausreichend kalkulierbar, hat der Bundesgerichtshof (BGH) auf die Musterklage eines Verbraucherschutzverbands entschieden. Die beklagte Sparkasse schloss seit 1994 mit Verbrauchern so genannte Prämiensparverträge ab, die eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach – bis zu 50 Prozent der jährlichen Spareinlage ab dem 15. Sparjahr – gestaffelte verzinsliche Prämie vorsehen. In den Vertragsformularen heißt es unter anderem, dass die Spareinlage variabel verzinst wird. In den in die Sparverträge einbezogenen „Bedingungen für den Sparverkehr“ heißt es weiter: „Soweit nichts anderes vereinbart ist, vergütet die Sparkasse dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen Zinssatz. Für bestehende Spareinlagen tritt eine Änderung des Zinssatzes, unabhängig von einer Kündigungsfrist, mit der Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes vereinbart ist.“
Der Musterkläger hält die Regelungen zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge von der Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung der Spareinlagen für zu niedrig. Er verfolgt mit seiner Musterfeststellungsklage sieben Feststellungsziele. Der BGH hat entschieden, dass die angegriffene Klausel wegen eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Bezug auf die Ausgestaltung der Variabilität der Verzinsung der Spareinlagen unwirksam und die in den Prämiensparverträgen insoweit entstandene Regelungslücke durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu schließen ist. Auf die Revision des Musterklägers hat er das Musterfeststellungsurteil des Oberlandesgerichts (OLG) aufgehoben, soweit dieses keinen für die Höhe der variablen Verzinsung maßgebenden Referenzzinssatz bestimmt hat. Insoweit hat der BGH die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Darüber hinaus hat er entschieden, dass die Zinsanpassungen von der Musterbeklagten monatlich und unter Beibehaltung des anfänglichen relativen Abstands des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz (Verhältnismethode) vorzunehmen sind. Er hat zudem entschieden, dass Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen frühestens mit Beendigung der Sparverträge fällig werden. Die vom Musterkläger verfolgten Feststellungsziele zu Teilaspekten der Verjährung und Verwirkung hat er jeweils als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung führt der BGH aus, die angegriffene Klausel enthalte bei der gebotenen objektiven Auslegung im Zusammenhang mit Ziffer 3.1 der Bedingungen für den Sparverkehr ein Zinsänderungsrecht der Musterbeklagten, wonach diese den Vertragszinssatz durch die Änderung eines Aushangs in ihrem Kassenraum ändern kann. Das OLG habe zutreffend angenommen, dass die Klausel wegen eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB in Bezug auf die Ausgestaltung der Variabilität unwirksam ist, da sie nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufweist. Rechtsfehlerhaft sei es aber davon ausgegangen, es könne einen Referenzzinssatz deswegen nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung bestimmen, weil im Verfahren über die Musterfeststellungsklage nicht auszuschließen sei, dass einzelne Sparverträge individuelle Vereinbarungen enthielten. Solche Individualvereinbarungen seien nur in den Klageverfahren zwischen den Verbrauchern und der Musterbeklagten zu berücksichtigen und schlössen die Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils, nicht aber die Vornahme einer ergänzenden Vertragsauslegung im Musterfeststellungsverfahren aus, so der BGH hierzu. Nach dem Konzept der auf ein langfristiges Sparen angelegten Sparverträge sei es interessengerecht, einen Zinssatz für langfristige Spareinlagen als Referenz für die Verzinsung der Spareinlagen heranzuziehen. Da das OLG – von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig – bislang keine Feststellungen zu einem geeigneten Referenzzinssatz getroffen hat, müsse es dies nach Zurückverweisung des Musterverfahrens nachholen. Die Zinsanpassungen seien nach der gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung in einem monatlichen Rhythmus vorzunehmen, weil der für langfristige Spareinlagen in Betracht kommende Referenzzinssatz in der von der Deutschen Bundesbank erhobenen Zinsstatistik monatlich veröffentlicht wird.
Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung sei weiter davon auszugehen, dass bei den Zinsanpassungen der anfängliche relative Abstand des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz beizubehalten sei. Nur eine solche Auslegung gewährleiste, dass das Grundgefüge der Vertragskonditionen über die gesamte Laufzeit der Sparverträge erhalten bleibt, sodass günstige Zinskonditionen günstig und ungünstige Zinskonditionen ungünstig bleiben. Rechtsfehlerfrei habe das OLG festgestellt, dass die Ansprüche der Verbraucher auf weitere Zinsbeträge aus den Sparverträgen frühestens ab dem Zeitpunkt der Vertragsbeendigung fällig werden. Die in einem Sparguthaben enthaltenen Zinsen unterlägen derselben Verjährung wie das angesparte Kapital. Das gelte auch für den Verbrauchern bislang nicht gutgeschriebene Zinsbeträge. Die Möglichkeit der Verbraucher, vor Vertragsbeendigung eine Gutschrift von weiteren Zinsbeträgen einzuklagen, bewirkt laut BGH keine Vorverlagerung der Fälligkeit des Anspruchs auf Auszahlung der weiteren Zinsbeträge. Der rechtlich nicht vorgebildete Verbraucher, auf den bei der Auslegung der in den Sparverträgen getroffenen Abreden abzustellen sei, erwarte aufgrund der vertraglichen Absprache über die Zinskapitalisierung, dass die Bank die vertraglich geschuldeten Zinsen auch dann am Ende eines Geschäftsjahres dem Kapital zuschlägt, wenn er sein Sparbuch nicht zum Nachtrag vorlegt. Dieser berechtigten Erwartung widerspräche es, wenn der Anspruch auf Auszahlung der weiteren Zinsbeträge bei Vertragsbeendigung deswegen bereits verjährt wäre, weil der Anspruch auf Erteilung einer korrekten Zinsgutschrift nicht in einer die Verjährung hemmenden Art und Weise vom Verbraucher während der Laufzeit des Sparvertrags geltend gemacht worden ist.
Die vom Musterkläger verfolgten Feststellungsziele zu Teilaspekten der Verjährung und Verwirkung sind laut BGH im Musterfeststellungsverfahren unzulässig, weil sie nicht verallgemeinerungsfähig sind. Die Frage, ob ein bestimmter Umstand geeignet ist, einem Verbraucher Kenntnis oder auf grober Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis von seinem Anspruch auf weitere Zinsbeträge zu verschaffen, lasse sich nur individuell abhängig von der Person des Verbrauchers beantworten. Die Verwirkung eines Anspruchs wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setze neben einem Zeitmoment ein Umstandsmoment voraus. Zeit- und Umstandsmoment könnten dabei nicht voneinander unabhängig betrachtet werden, sondern stehen in einer Wechselwirkung. Die Frage, ob ein Umstandsmoment vorliegt, das zusammengenommen mit dem Zeitmoment eine Verwirkung des Anspruchs des Verbrauchers rechtfertigt, könne daher nur individuell und nicht in einem Musterverfahren beantwortet werden.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.10.2021, XI ZR 234/20