Nach der gesetzlichen Regelung in § 9 Absatz 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen als Werbungskosten abzugsfähig. Dazu gehören laut Finanzgericht (FG) Niedersachsen unter bestimmten Voraussetzungen auch Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung. Dies gelte selbst dann, wenn die Einnahmen erst in einem späteren Jahr anfallen. Voraussetzung sei dabei, dass ein hinreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, bei der der Abzug begehrt wird.
In einem solchen Fall handele es sich um so genannte vorweggenommene Werbungskosten. Auch wenn in dem Jahr, in dem die Kosten angefallen sind – mangels Einnahmen – die festgesetzte Einkommensteuer häufig null Euro beträgt, könne die Geltendmachung vorweggenommener Werbungskosten steuerlich interessant sein, merkt das FG Niedersachsen an. Denn durch die Geltendmachung vorweggenommener Werbungskosten entstünden negative Einkünfte, die im Rahmen des Verlustvortrags nach § 10d Absatz 2 EStG in Folgenjahren berücksichtigt werden. Damit bestehe die Möglichkeit, dass die vorweggenommenen Werbungskosten die mit ihnen im wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Einnahmen in einem späteren Jahr mindern.
Bei Kosten für die eigene Berufsausbildung sei jedoch zu beachten, dass der Gesetzgeber die Ausgaben nur zum Werbungskostenabzug zulässt, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung abgeschlossen hat oder die Berufsausbildung im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet (§ 9 Absatz 6 EStG). Nicht jede „Erstausbildung“ sei ausreichend. Vielmehr habe der Gesetzgeber zusätzlich bestimmte Anforderungen an die Ausbildung geregelt. Hervorzuheben sei dabei insbesondere eine Mindestdauer von zwölf Monaten bei vollzeitiger Ausbildung und eine Abschlussprüfung. Damit wolle der Gesetzgeber in der Vergangenheit von der Rechtsprechung zugelassene Gestaltungen vermeiden, in denen nach weniger als zwölfmonatiger Ausbildung zum Beispiel als Skilehrer oder Taxifahrer die Kosten der (eigentlichen) Berufsausbildung als vorweggenommene Werbungskosten anerkannt wurden. Auch wenn die dargestellten Voraussetzungen für einen Abzug als Werbungskosten nicht erfüllt sind, zum Beispiel weil eine Abschlussprüfung fehlt oder die Ausbildung nur in Teilzeit durchgeführt wird, könnten Kosten für die eigene Berufsausbildung steuerlich geltend gemacht werden. In solchen Fällen komme ein Abzug als Sonderausgaben nach § 10 Absatz 1 Nr. 7 EStG in Betracht. Betragsmäßig sei der Sonderausgabenabzug jedoch auf 6.000 Euro begrenzt.
Finanzgericht Niedersachsen, PM vom 16.03.2022