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Unwirksame Mietenbegrenzungsverordnung: Keine Amtshaftung

Mietern stehen keine Amtshaftungsansprüche zu, wenn eine Landesregierung eine Mietenbegrenzungsverordnung mit weitem räumlichem und persönlichem Geltungsbereich erlässt, die jedoch wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur Begründung der Verordnung unwirksam ist. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Die Klägerin nimmt das Land Hessen aus abgetretenem Recht auf Schadenersatz wegen der Unwirksamkeit der von der Landesregierung 2015 erlassenen Mietenbegrenzungsverordnung in Anspruch. Die ursprünglichen Rechtsinhaber mieteten 2017 eine Wohnung in Frankfurt am Main an. Der betreffende Stadtteil war in der Mietenbegrenzungsverordnung als Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt im Sinne von § 556d Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) festgelegt. Die Klägerin nahm aus abgetretenem Recht der Mieter deren Vermieterin in einem Vorprozess auf Rückzahlung überhöhter Miete in Anspruch, wobei sie sich auf die Mietenbegrenzungsverordnung stützte. Diese Verordnung ist indes wegen Verstoßes gegen die in § 556d Absatz 2 Satz 5 bis 7 BGB bestimmte Begründungsverpflichtung unwirksam, wie der BGH am 17.07.2019 entschieden hat (VIII ZR 130/18). Deshalb wurde die Klage der Klägerin abgewiesen.

Mit der vorliegenden Teilklage macht die Klägerin nunmehr gegen das beklagte Land als Schaden der Mieter geltend, dass diesen bei Wirksamkeit der Mietenbegrenzungsverordnung ein Rückzahlungsanspruch gegen die Vermieterin für die im August 2017 gezahlte Miete zugestanden hätte. Sie hält die Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs gemäß § 839 BGB für gegeben. Mit dem Erlass der fehlerhaften Verordnung habe das beklagte Land eine ihm gegenüber den Mietern obliegende Amtspflicht verletzt. Die Klage hatte in keiner Instanz Erfolg.

§ 839 Absatz 1 Satz 1 BGB setze voraus, dass ein Amtsträger eine ihm gegenüber einem „Dritten“ obliegende Amtspflicht verletzt hat, so der BGH. Ob der Geschädigte im Sinne dieser Vorschrift „Dritter“ ist, richte sich danach, ob die Amtspflicht – zumindest auch – den Zweck hat, gerade sein Interesse wahrzunehmen. Es müsse mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten „Dritten“ bestehen. Gesetze und Verordnungen enthielten hingegen durchweg generelle und abstrakte Regeln. Dementsprechend nehme der Gesetzgeber in der Regel ausschließlich Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit wahr, denen die Richtung auf bestimmte Personen oder Personenkreise fehlt. Nur ausnahmsweise – etwa bei so genannten Maßnahme- oder Einzelfallgesetzen – könne etwas Anderes in Betracht kommen und könnten Belange bestimmter Einzelner unmittelbar berührt werden, sodass sie als „Dritte“ im Sinne des § 839 Absatz 1 Satz 1 BGB angesehen werden können. Die hessische Mietenbegrenzungsverordnung ist laut BGH kein Maßnahme- oder Einzelfallgesetz in diesem Sinne. Sie betreffe angesichts ihres weiten räumlichen und persönlichen Geltungsbereichs nicht einzeln identifizierbare Mieter (und Vermieter), sondern einen unüberschaubar großen und nicht individuell begrenzten Personenkreis. Dementsprechend handele es sich bei der Verordnung um eine ihrem Zweck nach allein auf die Wahrung des Interesses der Allgemeinheit und nicht bestimmter Einzelner oder eines bestimmten Personenkreises gerichtete Regelung. Amtshaftungsansprüche der Mieter bestünden auch nicht wegen eines Eingriffs in eine geschützte Grundrechtsposition. Ob überhaupt eine grundrechtlich geschützte Position der Mieter betroffen war, könne offenbleiben. Nicht jede Grundrechtsbeeinträchtigung durch staatliche Amtsträger führe zur Staatshaftung. Der Gesetzgeber könne Voraussetzungen und Umfang von Amtshaftungs- und Entschädigungsansprüchen näher ausgestalten. Eine solche Ausgestaltung sei mit § 839 Absatz 1 Satz 1 BGB erfolgt, wonach ein Amtshaftungsanspruch nur besteht, wenn ein Beamter die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt. Damit sei eine Haftung wegen der Verletzung von Amtspflichten, die dem Beamten nicht spezifisch dem Träger des betroffenen Grundrechts gegenüber obliegen, nicht vereinbar.

Bei einem Verstoß der öffentlichen Hand gegen Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz, der die allgemeine Handlungsfreiheit umfassend schützt, würde ansonsten sehr häufig auch ein zum Schadenersatz verpflichtendes Verhalten im Sinne des § 839 BGB vorliegen. Wollte man in diesen Fällen stets wegen der Grundrechtsbeeinträchtigung auch die Drittgerichtetheit der verletzten Amtspflicht bejahen, liefe das einschränkende Tatbestandserfordernis des „Dritten“ weitgehend leer. Die erhebliche Ausdehnung der Staatshaftung für legislatives Unrecht, die mit der Annahme einer Drittbezogenheit bei jeder Beeinträchtigung subjektiver Rechte von Grundrechtsträgern durch grundrechtswidrige Gesetzgebung zwangsläufig verbunden wäre, komme jedenfalls nicht im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung in Betracht. Ein Amtshaftungsanspruch besteht laut BGH schließlich auch nicht wegen enttäuschten Vertrauens der Mieter in die Wirksamkeit der hessischen Mietenbegrenzungsverordnung.

In der Rechtsprechung des BGH werde ein allgemeiner Anspruch auf angemessene Entschädigung für Aufwendungen, die im enttäuschten Vertrauen auf die Wirksamkeit einer Rechtsnorm gemacht worden sind, nicht anerkannt. Auch insoweit wäre die Drittbezogenheit der Amtspflicht erforderlich. Gesetze und Rechtsverordnungen enthielten aber – wie auch hier – zumeist generelle und abstrakte Regeln, durch die der Gesetz- und Verordnungsgeber in der Regel ausschließlich Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit wahrnimmt.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.01.2021, III ZR 25/20

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