Der krankheitsbedingte Abbruch eines Freiwilligendienstes führt zum Verlust des Kindergeldanspruchs. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) unter Hinweis darauf entschieden, dass die Grundsätze zum Fortbestehen eines Kindergeldanspruchs bei einer Unterbrechung der Berufsausbildung wegen Krankheit auf die vorzeitige Beendigung eines Freiwilligendienstes wegen Krankheit nicht entsprechend anwendbar seien.
Die Tochter des Klägers begann im September 2017 ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) bei der Johanniter-Unfall-Hilfe. Sie leidet seit 2016 an Bulimie und Anorexie. Im Mai 2018 verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand derart, dass sie das FSJ zum Ende des Monats kündigte. Ab Juli 2018 befand sie sich durchgängig bis Dezember 2018 in einer Klinik. Ab dem 15.01.2019 war die Tochter wieder im Rahmen eines FSJ in der Behindertenwerkstatt eines anderen Trägers eingesetzt.
Der Kläger wendet sich gegen die Versagung von Kindergeld ab Juni 2018. Hiermit hatte er letztlich keinen Erfolg. Ihm stehe kein Kindergeld für seine Tochter für den Zeitraum Juni 2018 bis Dezember 2018 zu, da die Tochter nicht die Voraussetzungen eines kindergeldrechtlichen Berücksichtigungstatbestandes erfülle, so der BFH. Zwar bestehe Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, wenn es ein im Gesetz genanntes freiwilliges soziales oder ein freiwilliges ökologisches Jahr leistet. Diese Voraussetzung habe die Tochter des Klägers im Streitzeitraum Juni 2018 bis Dezember 2018 nicht erfüllt, da sie aufgrund ihrer Erkrankung keinen Freiwilligendienst bei einem anerkannten Träger leistete. Der Freiwilligendienst bei der Johanniter-Unfall-Hilfe sei zum 31.05.2018 gekündigt und damit beendet worden. Mangels rechtlicher Bindung zu dem Träger (Johanniter-Unfall-Hilfe) liege auch keine möglicherweise unschädliche krankheitsbedingte zeitweise Unterbrechung, sondern eine Beendigung des Freiwilligendienstes vor, so der BFH.
Die Grundsätze zum Fortbestehen eines Kindergeldanspruchs bei einer Unterbrechung der Berufsausbildung wegen Krankheit seien auf die vorzeitige Beendigung eines Freiwilligendienstes wegen Krankheit nicht entsprechend anwendbar, so der BFH. Der Gesetzgeber behandele im Rahmen des Familienlastenausgleichs die Berufsausbildung bewusst anders als die Freiwilligendienste. Es läge vielmehr eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung vor, wenn ein Kind, das aufgrund einer Erkrankung sein FSJ gar nicht erst beginnen kann, nur bei körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung (§ 32 Absatz 4 Satz 1 Nr. 3 Einkommensteuergesetz – EStG) Kindergeld erhielte, während ein Kind, bei dem die Erkrankung während des FSJ eintritt und zur Beendigung des Dienstes führt, ohne Weiteres Kindergeld bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres (beziehungsweise Gesundung) erhalten würde.
Darüber hinaus sei es verfassungsrechtlich nicht geboten, das Existenzminimum eines Kindes, das einen Freiwilligendienst leistet, auf einen solchen wartet oder einen solchen aufgrund von Krankheit beenden muss, bei den Eltern durch Kindergeld oder Kinderfreibetrag von der Einkommensteuer freizustellen. Der im Einzelfall bestehenden Unterhaltspflicht wegen mangelnder tatsächlicher Erwerbsmöglichkeiten des Kindes aufgrund von Krankheit werde durch die Steuerentlastung nach § 33a EStG ausreichend Rechnung getragen. Dies genüge auch dem verfassungsrechtlichen Gebot der steuerlichen Verschonung des Familienexistenzminimums.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.09.2020, III R 15/20