Bei jemandem, der einem nahen Familienangehörigen beim Gerüstabbau hilft und sich dabei verletzt, liegt kein Arbeitsunfall vor. Der gesetzliche Unfallversicherungsschutz greife nicht, so das Landessozialgericht (LSG) Thüringen.
Der Kläger half seinem Bruder beim Gerüstabbau auf dessen Wohngrundstück. Dabei zog er sich erhebliche Verletzungen an einem Fuß zu. Die Unfallkasse Thüringen hat einen Arbeitsunfall verneint. Das Sozialgericht hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zwar könnten auch arbeitnehmerähnliche Tätigkeiten außerhalb eines bestehenden Arbeitsverhältnisses als so genannte Wie-Beschäftigung unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen. Nach Durchführung einer Beweisaufnahme hatte das LSG aber nicht feststellen können, dass im hier zu entscheidenden Fall die Voraussetzungen dafür vorlagen.
Zwar habe der Kläger für seinen Bruder eine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert mit dessen Willen arbeitnehmerähnlich verrichtet. Im Rahmen der Beweisaufnahme ist das LSG aber zu dem Ergebnis gelangt, dass die verrichtete Tätigkeit ihr maßgebliches Gepräge aus der Sonderbeziehung zum Bauherrn erhielt. Nach ständiger Rechtsprechung sei das Vorliegen einer Wie-Beschäftigung nach § 2 Absatz 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch VII zu verneinen, wenn die konkrete Tätigkeit ihr Gepräge aus einer Sonderbeziehung des Handelnden zu dem Unternehmer bekommt. Eine solche Sonderbeziehung werde insbesondere dann angenommen, wenn die Tätigkeit in Erfüllung gesellschaftlicher – insbesondere familiärer oder freundschaftlicher – Verpflichtungen ausgeübt wird. Entscheidend dabei sei, ob die Tätigkeit als übliche Hilfestellung unter engen Verwandten beziehungsweise Freunden zu bewerten ist.
Aus der Beweisaufnahme folgte für das LSG, dass zum Zeitpunkt des Unfallereignisses ein intaktes Verwandtschaftsverhältnis bestand, das auch eine wechselseitige Bereitschaft einschloss, sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen. Auch das zeitliche Maß der Unterstützungsleistung, die sich in einem überschaubaren Umfang hielt, habe für eine Hilfestellung im Verwandtenkreis gesprochen. In Auswertung aller Umstände des Einzelfalles ist das LSG daher zu der Auffassung gelangt, dass die Motivation des Klägers zur Hilfe beim Gerüstabbau entscheidend durch das nahe Verwandtschaftsverhältnis geprägt war. Die Entscheidung kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden.
Landessozialgericht Thüringen, Urteil vom 16.09.2021, L 1 U 342/19